Die Stratifizierung/Stratifikation ist eine uralte Methode, um die Keimhemmung von Pflanzen zu überwinden und ihre Keimfähigkeit zu fördern. Sie simuliert natürliche Bedingungen wie Kälte- und Wärmeperioden, die viele Pflanzen benötigen, um aus ihrem „Schlaf“ zu erwachen. Dieser Beitrag erklärt die verschiedenen Formen der Stratifizierung und gibt Tipps, wie Hobbygärtner sie anwenden können.

Der Begriff stammt vom lateinischen „stratum“, was „Schicht“ bedeutet. Ursprünglich wurden Samen schichtweise in Substrat eingebettet, um sie auf die Keimung vorzubereiten. Dieser Vorgang ahmt natürliche Prozesse nach, wie sie beispielsweise im Winter oder bei längeren Trockenperioden auftreten.

Eine Keimhemmung ist ein Schutzmechanismus der Pflanze, der verhindert, dass sie in einer für sie ungünstigen Jahreszeit keimt, wie zum Beispiel im Winter oder während einer Trockenperiode. Denn wenn die Samen im Spätsommer oder Herbst direkt nach der Reife keimen würden, hätten sie schlechte Überlebenschancen, da der winterliche Frost die noch nicht ausreichend verholzten Sämlinge dahinraffen würde. Aus diesem Grund braucht es erst einen gewissen Zeitraum mit niedrig(er)en Temperaturen, um die Keimhemmung zu brechen. Die Samen einiger Pflanzenarten brauchen diesen Zeitraum außerdem für die Nachreife, da der Embryo (der im Nährgewebe des Samens eingebettete Keimling), zum Zeitpunkt der Samenreife noch nicht komplett ausgebildet ist.

Viele Pflanzenarten haben eine natürliche Keimhemmung, die sie davor schützt, in ungünstigen Zeiten zu keimen. So verhindert die Keimhemmung, dass Samen im Herbst keimen und durch Frost absterben. Einige Pflanzen benötigen zusätzlich eine Nachreifezeit, um vollständig entwickelt zu sein.

Die Keimhemmung tritt besonders häufig bei Beeren- und Steinfrüchten mit fleischiger Fruchtwand auf. Verursacht wird sie vor allem von verschiedenen organischen Säuren im Fruchtfleisch. Diese Variante der Keimhemmung lässt sich verhältnismäßig leicht ausschalten, indem man die Früchte gleich nach der Ernte kurz antrocknen lässt und dann vom Fruchtfleisch befreit. Auch die Samenernte vor der Vollreife ist zum Beispiel bei den Wildrosen eine erprobte Methode, um die Keimhemmung auszuschalten, da die entsprechenden Säuren in diesem Stadium noch nicht gebildet wurden.

Gehölze mit hartschaligen Samen zeigen oft eine besonders starke Keimhemmung. Hier muss zuerst die harte Samenhülle langsam aufweichen, bevor die Samen keimen können.

Die Samen werden in Kisten mit Substrat eingelagert, die unten und oben mit einem feinmaschigen Gitter vor Nagetieren geschützt sind. Als Substrat wird meist ein Gemisch aus Sand und Torf verwendet. Das hat den Vorteil, dass es die Feuchtigkeit besser hält. Normale Gartenerde oder Kompost sollte auf keinen Fall verwendet werden, da beides zu viele schädliche Keime enthält, die Schimmelbefall verursachen können.

Wichtig ist eine schattige, geschützte Lage, damit die Sonne das Sand-Samen-Gemisch nicht austrocknen kann, denn es sollte bis zur Aussaat im Frühjahr gleichmäßig feucht sein. Gleichzeitig muss die Kiste der Witterung ausgesetzt sein, vor allem dem Regen und Schnee. Damit simuliert man den typischen Witterungsverlauf, der dazu führt, dass die Keimhemmung verschwindet. Frostige Temperaturen sind für die Stratifizierung allerdings nicht erforderlich – ein Temperaturbereich zwischen zwei und acht Grad ist am effizientesten.

Zunächst werden die Samen für 2-4 Wochen höheren Temperaturen (ca. 20°C) ausgesetzt, um die Quellung der harten Samenschalen zu beschleunigen. Danach werden die Temperaturen abgesenkt. Die erforderliche Kälteperiode kann bis zu 30 Wochen dauern. 

Während der Stratifizierung werden die Samen regelmäßig kontrolliert. Sobald die ersten keimen, ist es Zeit, die gesamte Menge auszusäen. Man kann den Sand vorher absieben oder einfach mit aussäen. Wenn bereits im Januar die ersten Keime sichtbar werden, ist es für die Aussaat noch zu früh. In diesem Fall muss man die Samen bis zum geeigneten Aussaatzeitpunkt bei etwa -2 bis -4°C  lagern – sie wachsen dann nicht weiter, sterben aber auch nicht ab.

Experimentierfreudige Hobbygärtner, die nur wenige Samen aussäen wollen, sollten diese einfach im Kühlschrank stratifizieren. Geben Sie die Samen dazu in ein oben offenes Glas oder einen offenen Folienbeutel mit Sand und stellen Sie den Behälter ins Gemüsefach Ihres Kühlschranks. Sie müssen das Gemisch nur ab und zu etwas anfeuchten und einmal pro Woche etwas durchschütteln. Alternativ können Sie Ihre Samen im Winter auch draußen stratifizieren, zum Beispiel in einem runden Haushaltssieb oder einem Eimer mit durchlöchertem Boden. Graben Sie beides an einer geschützten Stelle in die Erde ein und decken Sie es mit feinmaschigem Draht ab.

Um die Winterkälte zu überstehen, bedienen sich heimische Pflanzen verschiedener Tricks. Während einige von ihnen von Natur aus der kalten Jahreszeit angepasst sind, verharren die Samen anderer Pflanzen über den Winter im Boden, bevor sie im Frühjahr keimen (zB Borretsch, Bärlauch). Sie benötigen zum Auskeimen einen mehrwöchigen Kältereiz.

Würden diese Samen unmittelbar nach der Aussaat im Spätsommer/Herbst keimen, wären die Jungpflanzen nicht kräftig genug, um den Winter zu überstehen. Wird ihre Keimung hingegen bis zum Frühling zurückgehalten, haben sie ausreichend Zeit, um vor dem nächsten Winter heranzuwachsen.

Die Zeit bis zum Erreichen der Keimfähigkeit unterscheidet sich je nach Pflanzenart. Während die meisten Arten 3-12 Wochen durchgehend Kälte benötigen, um die Dormanz zu überwinden, ist gerade bei Sträuchern und Gehölzen mitunter eine noch längere Kälteperiode erforderlich (als Dormanz (lat. dormire = schlafen) werden alle Formen der Entwicklungsverzögerung bei Lebewesen/biologischen Vorgängen bezeichnet. Diese sind teilweise durch Außenfaktoren bedingt, sie können jedoch auch genetisch und hormonell gesteuert sein).

Ferner müssen bei manchen Kaltkeimern zur Quellung der Samenschale die richtigen Bedingungen vorherrschen. Diese Samenarten, deren harte Schale bei milden Temperaturen im feuchten Boden quellen muss, sät man daher in der Regel bereits kurz nach der Samenernte im September oder Oktober aus. 

Bei der Aussaat im Beet sind immer die Präferenzen der jeweiligen Art zu beachten. Während einige Pflanzen Minusgrade für den erforderlichen Kältereiz benötigen, reichen anderen Temperaturen von etwa 5°C. Haben Sie die Samen im Gartenhandel erworben, finden sich auf der Verpackung Angaben dazu, wann und bei welchen Temperaturen die Aussaat erfolgen sollte.

Drücken Sie die einzelnen Pflanzensamen sanft in die Erde und sieben Sie etwas Aussaaterde darüber. Bei kleinen Samen reichen wenige Millimeter Erde völlig aus, während grössere eine entsprechend dickere Erdschicht von bis zu 1 cm zur Abdeckung benötigen. Zur anschließenden Befeuchtung ist eine Sprühflasche geeignet. Diese sorgt für ausreichend Feuchtigkeit, ohne versehentlich die Samen wegzuspülen. 

Keimen Samen im Frühjahr nicht, ist dies übrigens kein Grund zur Besorgnis. Durch eine Kältebehandlung im Kühlschrank kann die Dormanz auch nachträglich unterbrochen werden, falls die Kälte im Beet nicht ausreicht.